Es kann ohne weiteres passieren, dass Arbeitnehmer plötzlich zu Zeiten arbeiten sollen, in denen sie sich eigentlich um die Betreuung ihrer Kinder kümmern müssen. Das kann tatsächlich große Probleme aufwerfen.
Nach § 106 der Gewerbeordnung kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, wenn nicht etwas anderes – zum Beispiel im Arbeitsvertrag – ausdrücklich vereinbart wurde.
Billiges Ermessen heißt, dass der Arbeitgeber nicht uneingeschränkt frei entscheiden kann. Er muss in angemessener Weise die Interessen der Beschäftigten berücksichtigen. Dazu gehört auch, privaten Lebensumständen, besonderen Vorlieben, Abneigungen oder Kenntnissen der Beschäftigten Rechnung zu tragen.
Das klingt aber besser, als es aus Sicht eines Arbeitnehmers ist: letztlich steht nämlich nicht das Privatleben eines Arbeitnehmers im Vordergrund, wenn der Arbeitgeber seinen Direktionsrecht ausübt, sondern betriebliche Interessen.
So hat das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern in einem Urteil vom 13.07.2023 (5 Sa 139/22) entschieden, dass ein Arbeitgeber zwar auf die Kinderbetreuungspflichten von Arbeitnehmern Rücksicht nehmen muss, aber nur, wenn betriebliche Gründe oder berechtigte Belange anderer Arbeitnehmerinnen Arbeitgeber nicht entgegenstehen.
Im entschiedenen Fall war die Arbeitnehmerin in einem typischen „Frauenberuf“ tätig. Nachdem sie Zwillinge bekommen hatte und alleinerziehend war, bat sie den Arbeitgeber, im Hinblick auf die Öffnungszeiten der Kita nur noch in der Zeit zwischen 07:40Uhr und 16:40 Uhr eingesetzt zu werden. Das lehnte der Arbeitgeber ab und verwies darauf, dass auch viele Kolleginnen der Klägerin Betreuungspflichten hätten.
Das billigte das Landesarbeitsgericht und gab dem Arbeitgeber Recht. Insbesondere bei dem Wunsch einer Umverteilung der Arbeitszeit im Zusammenhang mit einer Reduzierung der Arbeitszeit erwähne das Gesetz (§ 8 TzBfG) keine persönlichen Belange, sondern nur die jeweilige betriebliche Situation. Außerdem habe der Arbeitgeber den Wunsch der Klägerin damit ablehnen dürfen, dass auch viele andere Arbeitnehmerinnen desselben Arbeitgebers Kinder betreuen müssten. Diese müssten ebenfalls geschützt werden und dürften nicht dadurch beeinträchtigt werden, dass einzelne Arbeitnehmerinnen bevorzugt behandelt werden.
Allerdings ließ auch das Gericht durchblicken: wäre die Klägerin die einzige Mitarbeiterin, die Kinder Betreuungspflichten zu erfüllen gehabt hätte, hätte die Entscheidung anders ausgehen können.
Letztlich wird man also bei der Frage, ob der Arbeitgeber verpflichtet ist, Arbeitszeiten an familiäre Bedürfnisse anzupassen, auch auf die übrigen Mitarbeiterschaft und deren Bedürfnisse schauen müssen.