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Änderungen im Ehegatten- und Kindesunterhalt

Die maßgeblichen Änderungen im Ehegatten- und Kindesunterhalt in den vergangenen Jahren

Liegt die letzte Unterhaltsreform aus dem Jahr 2008 schon etwas zurück, so bedurfte es doch geraumer Zeit, um die mit der Reform einhergehenden neuen Fragen höchstrichterlich klären zu lassen. In den vergangenen Jahren hat es hier sowohl in der Rechtsprechung als auch in den sonstigen Berechnungshilfen gravierende Änderungen gegeben, die dazu führen, dass insbesondere ältere Kindesunterhalts- und Ehegattenunterhaltstitel darauf hin überprüft werden sollten, ob diese nicht abgeändert werden können.

Wir möchten an dieser Stelle einmal die wesentlichen Änderungen kurz zusammenfassen, die es in den vergangenen zwei Jahren gegeben hat, ohne dass wir den Anspruch erheben, dass diese Aufstellung inhaltlich vollständig ist, denn dafür gab es zu viele Einzelfallentscheidungen, die Einfluss auf eine Unterhaltsberechnung nehmen können. Es würde den hiesigen Rahmen sprengen alle diese Umstände hier darzulegen. Die nachfolgenden Ausführungen sollen somit nur eine grobe Orientierung für den Unterhaltsberechtigten, aber auch für den Unterhaltspflichtigen darstellen.

Ausweitung der Einkommensgruppen der Düsseldorfer Tabelle

Bereits in seinem Beschluss hatte der Bundesgerichtshof am 13.09.2022 zu Aktenzeichen: XII ZB 499/19 darauf hingewiesen, dass er es nicht für zwingend erforderlich erachtet, dass für die Bemessung des Kindesunterhaltes die Düsseldorfer Tabelle auf 10 Einkommensgruppen mit einem Höchsteinkommenswert von 5.500,00 € / netto begrenzt wurde.

Das war bis dahin gängige Praxis.

Da die Berechnung von Kindes- und Ehegattenunterhalt allerdings ein familienrechtliches Massengeschäft ist liegt es nahe, in diesem Bereich auch Pauschalierungen einzuführen, die über den vorstehenden Einkommensbereich hinausgehen.

Deshalb wies der BGH darauf hin, dass es wahrscheinlich nicht zu beanstanden sein könnte, wenn das Höchsteinkommen nach der Düsseldorfer Tabelle auf das Doppelte von 5.500,00 € / netto ausgeweitet wird.

Dementsprechend kamen die Verfasser der Düsseldorfer Tabelle auch zu dem Ergebnis, dass ein solcher Schritt auch zu Vereinfachung der Berechnungssystematik förderlich sei und erweiterten dann die Düsseldorfer Tabelle mit Wirkung ab dem 01.01.2022, wobei schon die Düsseldorfer Tabelle für das Jahr 2021 einen entsprechenden Hinweis auf die vorgenannte Entscheidung des BGH enthielt. Vor Veröffentlichung der Tabelle für das Jahr 2021 war man allerdings noch nicht dahingehend übereingekommen, welche Bandbreite die Einkommensgruppen über 5.500,00 € haben sollten. Dies geschah erst mit der Erstellung der Düsseldorfer Tabelle für das Jahr 2022.

Damit berechnet sich der Kindesunterhalt nunmehr tabellarisch für den Einkommensbereich des Unterhaltspflichtigen bis zu 11.000,00 €.

Damit haben sich größtenteils alle konkreten Bedarfsberechnungen zum Kindesunterhalt erledigt.

Um auch den Trennungsunterhalt weiterhin pauschalieren zu können und konkrete Bedarfsberechnungen hier in Wegfall geraten zu lassen wies der BGH auch darauf hin, dass auch der Trennungsunterhalt und auch der nacheheliche Unterhalt pauschal auf Basis der Einkommenswerte nach der Düsseldorfer Tabelle berechnet werden können. Bei einem Monatsnettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen ergibt sich ein monatlicher Monatsbetrag des Ehegatten von maximal 4.950,00 €, sofern dieser über keinerlei eigene Einkünfte verfügt.

Die Berechnung erfolgt dergestalt, dass von dem Erwerbseinkommen des Unterhaltspflichtigen der Erwerbstätigenbonus in Höhe von 10 % abzuziehen ist und der dann verbleibende Betrag zwischen dem Unterhaltsberechtigten und dem Unterhaltsverpflichteten aufgeteilt wird.

So kann es zu erheblichen Änderungen der Unterhaltshöhe schon alleine deshalb kommen, weil sich die Bedarfsbeträge in der Düsseldorfer Tabelle zum Kindesunterhalt in der Vergangenheit deutlich erhöht haben und darüber hinaus der BGH die pauschalierte Berechnung des Kindesunterhaltes und des Trennungsunterhaltes auf ein Einkommen von bis zu 11.000,00 € / netto pro Monat zulässt.

Änderung des Erwerbstätigenbonus

In den südlichen Bundesländern, insbesondere Bayern, war es in der Vergangenheit immer üblich, dass lediglich 1/10tel des Erwerbseinkommens unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Erwerbstätigenbonus bei der Berechnung des Ehegattenunterhaltes außer Betracht blieb.

In der hiesigen Region war es regelmäßig 1/7tel.

Die Differenz zwischen beiden Quoten liegt bei 4,28 %. Gerade bei höheren Einkünften war somit die Berechnung nach den hier in Nordrhein-Westfalen geltenden Berechnungsmethoden für den Unterhaltspflichtigen günstiger, weil er durch den höheren prozentualen Ansatz bei der Berechnung seines Erwerbstätigenbonus mehr Einkommen für sich behalten konnte.

Bisher sah der BGH beide Berechnungsmethoden unkritisch. Nunmehr hat er allerdings ausdrücklich ausgeführt, dass auch eine Anwendung des Erwerbstätigenbonus von 1/10tel keine Bedenken entgegenstehen. Dies hat bei der Berechnung von Trennungs- und nachehelichem Unterhalt dazu geführt, dass nunmehr bundesweit ein Erwerbstätigenbonus von „auf nur noch“ 1/10tel in Ansatz gebracht wird und nicht mehr von 1/7tel, wie dies in der Vergangenheit der Fall war. Auch dies führt zu einer Mehrbelastung der Unterhaltspflichtigen.

Erhöhung der Fahrtkostenpauschalen

Der Unterhaltsberechtigte und der Unterhaltspflichtige können arbeitsbedingten Aufwand von ihrem Einkommen abziehen. Gerade im Hinblick auf die vergangene Pandemie war es so, dass diese Fahrtkosten oftmals nicht mehr angefallen sind, weil sich viele Arbeitnehmer im Homeoffice befanden. In Anbetracht der inflationären Preissteigerungen ist allerdings zwischenzeitlich eine Änderung dahingehend vorgenommen worden, dass die reisenden Arbeitnehmer nicht mehr für die ersten 30 km zwischen ihrer Wohnung und der Arbeitsstelle 0,30 € für den Hin- und Rückweg unterhaltsrechtlich in Abzug bringen können und für die darüber hinaus gehenden Wegstrecken 0,20 € je gefahrenem km, sondern dass sie nunmehr berechtigt sind für die ersten 30 km an Arbeitshin- und Rückweg 0,42 € in Ansatz bringen dürfen und für die darüber hinaus gehende Wegstrecke 0,28 €.

Dies führt wiederum zu einer Entlastung der Unterhaltspflichtigen. Betrachtet man allerdings, dass sich auch die steuerlichen Freibeträge erhöht haben, so führt die in Ansatzbringung dieser Wegekosten bei der Einkommenssteuererklärung natürlich auch dazu, dass mit höheren Rückerstattungen gerechnet werden kann, die dann wiederum Relevanz für die Bemessung des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens haben.

Deutlich höhere Aufwendungen für die sekundäre Altersvorsorge

War es in der Vergangenheit aufgrund der demografischen Entwicklung in Deutschland anerkannt, dass die Unterhaltsberechtigten und Unterhaltspflichtigen neben den Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung auch zusätzlich noch Beiträge zur sogenannten sekundären Altersversorgung leisten durften, so hat der BGH diese Möglichkeit nunmehr noch einmal deutlich ausgeweitet.

Bisher galt, dass für die Berechnung des Kindes- und Ehegattenunterhaltes 4 % des Jahresbruttoeinkommens bis zur Höhe der Beitragsbemessungsgrenze in der Deutschen Rentenversicherung als zusätzlicher Altersvorsorgeaufwand abgesetzt werden konnte, sofern diese Beträge auch tatsächlich in eine Sparform angelegt wurden, die der Altersvorsorge dient. Für Einkünfte, die über der Beitragsbemessungsgrenze in der Deutschen Rentenversicherung lagen war anerkennt, dass von diesen Einkünften sogar knapp 23 % zusätzlich in eine sekundäre Altersversorgung investiert werden konnte. Bei der Bemessung des Elternunterhaltes waren es 5 % bzw. 24 %.

Als Altersvorsorge galten hierbei auch die Tilgungsleistungen für eine Immobilie, weil auch diese der Altersvorsorge dient. Man musste also berechnen wieviel sekundärer Altersvorsorgemehraufwand insgesamt durch den Unterhaltsverpflichteten geleistet werden konnte. Dann mussten diese Beträge aufgeteilt werden auf die Tilgungsleistungen für die Immobilie und die sonstigen sekundären Altersvorsorgeprodukte. Wurden die zulässigen Beträge überschritten, dann erfolgte eine Kappung.

Nunmehr hat der BGH die Limitierung für Tilgungsleistungen für die Immobilie aufgehoben. Dies bedeutet, dass Tilgungsleistungen für die im Eigentum des Unterhaltsberechtigten oder -verpflichteten stehende Immobilie voll in Ansatz gebracht werden können und damit nicht mehr dieser Limitierung unterliegen. Daneben können noch weitere Altersvorsorgeaufwendungen getätigt werden.

Hierdurch lassen sich nicht unerhebliche Einkommensreduzierungen erzielen, die gerade im Bereich von Erwerbseinkünften um die 100.000,00 € und höher dazu führen, dass ein gesonderter Aufwand für sekundäre Altersversorgung begründet werden kann, der dann in der monatlichen Belastung dazu führt, dass sich die Eingruppierung in der Düsseldorfer Tabelle um eine, teilweise sogar um zwei Einkommensgruppen reduzieren lässt. Bei der Berechnung des Ehegattenunterhaltes schlagen diese zusätzlichen Aufwendungen 1:1 durch.

Dementsprechend sollte geprüft werden, ob hier nicht eine Modifikation der Einkünfte möglich und angezeigt ist, um so die eigene Altersvorsorge, gerade im Hinblick auf den im Scheidungsverfahren durchgeführten Versorgungsausgleich und die damit einhergehenden Reduzierungen der eigenen späteren Renteneinkünfte dadurch zu kompensieren, dass man sekundäre Altersvorsorge in der vorbeschriebenen Art und Weise betreibt. Auch hieraus kann sich Abänderungsmöglichkeit bezogen auf den Kindes- und Ehegattenunterhalt ergeben.

Berücksichtigung des ungedeckten Kindesunterhaltsbedarf beim betreuenden Elternteil

Die wohl gravierendste Änderung bei der Berechnung des Kindes- und Ehegattenunterhaltes hat der BGH in seiner Entscheidung vom 18.05.2022 zu Aktenzeichen: XII ZB 325/20 vorgenommen. Bisher war anerkannt, dass der Barkindesunterhalt und der Betreuungsunterhalt gleichwertig sind. Dies führte dazu, dass der Unterhaltspflichtige, der für den Barkindesunterhalt aufkam, diese Barkindesunterhaltszahlungsverpflichtung von seinem Einkommen abziehen konnte bevor es dann um die Berechnung des Ehegattenunterhaltes kam.

Diese Gleichwertigkeit der beiden Unterhaltsteile hat der BGH nun neu strukturiert.

Dabei geht der BGH davon aus, dass auch der betreuende Elternteil wirtschaftliche Aufwendungen für das Kind tätigt. Das Kind „lebt“ somit nicht nur alleine von den Unterhaltszahlungen des barkindesunterhaltspflichtigen Elternteils, sondern auch von Geldern, die der betreuende Elternteil dem Kind naturgemäß ebenfalls zuwendet. Bei der Berechnung des Unterhaltsanspruchs für den betreuenden Elternteil wirkt sich dies nunmehr dahingehend aus, dass der den betreuenden Elternteil als Abzugsposition zu Gute kommende Betrag dadurch ermittelt wird, dass sich der Kindesunterhalt nach den zusammengerechneten Einkünften beider Elternteile richtet. Ausgehend von diesem Bedarf wird dann zunächst der Betrag ermittelt, der nach den Einkünften des barkindesunterhaltspflichtigen Elternteils von diesem zu zahlen ist. Dieser ist – ebenso wie das Kindergeld – von dem Kindesunterhaltsbedarf abzuziehen. Was verbleibt ist der Betrag, den der betreuende Elternteil von seinem Einkommen als „Barkindesunterhalt“ ebenfalls in Abzug bringen kann. Dadurch reduzieren sich die Einkünfte des betreuenden Elternteils. Hierdurch vergrößert sich die Differenz zwischen dem unterhaltsrechtlich relevanten Einkommen des barkindesunterhaltspflichtigen Elternteils und dem betreuenden Elternteil, so dass der betreuende Elternteil höheren Ehegattenunterhalt für sich beanspruchen kann. Auch hier sollte geprüft werden, ob diese Änderung so gravierend ist, dass eine Abänderung bestehender Titel in die Wege geleitet werden sollte.

Grade die Kapitalisierung des ungedeckten Kindesunterhaltsbedarfs führt in der Praxis dazu, dass sich viele neue Fragestellungen ergeben, die der BGH in seiner vorgenannten Entscheidung allerdings größtenteils schon mit beantwortet hat. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass der betreuende Elternteil in einer im beiderseitigen Eigentum der Eltern stehenden Immobilie lebt und ihm insoweit ein Wohnvorteil anzurechnen ist. Betreut der Elternteil in der Immobilie dann auch noch Kinder, so stellt sich die Frage, wie der Vorteil des kostenfreien Wohnens des Kindes bei dieser Berechnung mit zu berücksichtigen ist. Die Darstellung von Details zu dieser Fragestellung und den daraus resultierenden weiteren Fragestellungen würde den Rahmen der vorliegenden kurzen Zusammenfassung sprengen. Im Ergebnis kann jedoch festgehalten werden, dass durch die Neuregelungen zum Kindesunterhalt die Berechnungen des Ehegattenunterhaltes nicht einfacher geworden sind, sondern komplexer, da weitere Umstände hinzugetreten sind, die bei der Bemessung der Unterhaltshöhe Berücksichtigung finden.

Sollten Sie zu den vorstehenden Ausführungen oder zu weiteren Umständen bei der Berechnung von Kindes- oder Ehegattenunterhalt Rückfragen haben, so steht Ihnen unser Fachanwalt für Familienrecht Herr Rechtsanwalt Ingo Kauder gerne zur Verfügung.